»Menschlichkeit stärken als humanistisches digitales Projekt«, so sind zwei Seiten im Hauptgutachten »Unsere gemeinsame digitale Zukunft« des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen von 2019 überschrieben. Wichtig finde ich, daß die Themen »Bewahrung der Umwelt« und »Digitalisierung« dabei verbunden werden.
Den Trugschluß, daß unsere Welt durch technologische Anstrengungen zu retten ist, hat Maja Göpel in »Unsere Welt neu denken« gründlich entlarvt. Die Entscheidung darüber liegt in aller Regelmäßigkeit bei den »finanzstarken Eliten«. Auch bei der Digitalisierung kommt es darauf an, wer sie wozu benutzt.
»Eine humanistische Vision… sucht nach Wegen, wie Menschen wieder verstärkt Akteure und Subjekte der Gestaltung ihrer technologisch unterstützten Gesellschaften und Entwicklungen werden.«
Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Hauptgutachten Unsere gemeinsame digitale Zukunft, p. 320
Im Zeitalter des Anthropozäns müssen Technologien der Verletzlichkeit von Mensch und Umwelt entsprechen. Technikfolgenabschätzung, so der Wissenschaftliche Beirat, muß sich deshalb auf ein erweitertes humanistisches Menschenbild beziehen:
»1. Menschen auf ihr Denken zu reduzieren vernachlässigt die Bedeutung von Körperlichkeit und Emotionen.
2. Individualismus als Kultur und wissenschaftliche Methode vernachlässigt die Bedeutung von Gesellschaft und sozialer Vernetzung für menschliche Entwicklung.
3. Menschliches Leben entkoppelt von Natur zu betrachten vernachlässigt systemische Zusammenhänge der Biosphäre, zu der auch der Mensch gehört und von deren Dynamiken menschliche Existenz abhängt.
4. Ein Differerenzen übergehender Universalismus in der Beschreibung von Menschen und Gesellschaften vernachlässigt die Rolle von Kultur, Institutionen, aber auch von Technologien in der Prägung von Individuen.«
a.a.O., p. 321
Daraus ergeben sich Fragen an die Digitalisierung:
»1. Können menschliche Fähigkeiten wie Empathie, Persönlichkeitsbildung, körperliche Sensibilität und Selbstregulierung durch digital vermittelte Daten, Informationen oder auch spielerische Anwendungen gestärkt werden? (…)
2. Können neue Formen der Kommunikation, Interaktion oder Infrastruktur systemische Zusammenhänge und soziale Rückkopplungsschleifen in Gesellschaften besser erfahrbar machen und damit auch die Einbettung individueller Handlungen in diese? (…)
3. Befähigt uns die Digitalisierung, die Unvermitteltheit und Sprachlosigkeit zwischen lokalen Gemeinschaften und globalen Ökosystemen zu überwinden? (…)
4. (…) Welche Ideen von menschlicher Selbstbestimmung und Solidarität, Würde und Lebensweise sind dominant, welche kaum repräsentiert? (…)
a.a.O., p. 321
Hier gibt es viele Anklänge, beispielsweise an die Theologie der Befreiung, für die die Perspektive der Opfer ausschlaggebend war. Zu den Opfern gehört heute die leidende Schöpfung. Oder an die Pädagogik der Unterdrückten Paulo Freires, der die »Sprachlosen« ermutigt hat, ihre Perspektive deutlich zu machen.
Und es gibt viel zu tun, wenn wir die Digitalisierung für eine menschlichere Welt einsetzen wollen.
Hier – mit freundlicher Genehmigung des Wissenschaftlichen Beirats – der Abschnitt »Menschlichkeit stärken als humanistisches digitales Projekt« aus dem Hauptgutachten:
Das Hauptgutachten »Unsere gemeinsame digitale Zukunft« und weitere Materialien zum Thema können hier heruntergeladen werden:
https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/unsere-gemeinsame-digitale-zukunft
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